Foto: S. Brückner, T. Schindel
Per Gesetz und mit 25 neuen Verordnungen regelt die Schweiz den Umgang mit Lebensmitteln. Die MARKANT informiert ihre Partner aus Industrie und Handel über alle relevanten Details und unterstützt außerdem durch Datenservices sowie individuelle Beratungen.
Der „Rostige Paragraph“ wird in der Schweiz jährlich für besonders bürokratische Regulierungen verliehen. Im Jahr 2016 ging der Spottpreis an das neue Schweizer Lebensmittelrecht. Nach mehrjährigen Beratungen trat das Gesetz am 1. Mai 2017 in Kraft und regelt auf vorerst mehr als 2.000 Seiten, was bei der Produktion und beim Handel mit Lebensmitteln, aber auch mit kosmetischen Produkten und Gebrauchsgegenständen zu beachten ist.
Die Eidgenossen gaben der Gesetzesinitiative den Projektnamen LARGO – in der Musik wird damit die Tempovorschrift des ruhigen 3/2- oder 3/4-Taktes bezeichnet. In gemäßigtem Tempo, mit Sinn für Details und unter Einbindung von Wirtschaft, Verbrauchern und Verbänden ist so ein umfangreiches Gesetzeswerk entstanden, mit dem sich Produzenten, Händler und Importeure auseinandersetzen müssen. „Und zwar umgehend und intensiv, weil das Gesetz den Unternehmen in verschiedenen Bereichen lediglich eine Übergangsfrist von einem Jahr offenlässt“, sagt Jos Lanen, Geschäftsführer der MARKANT Syntrade Schweiz AG. Die Ländergesellschaft der MARKANT hat daher eine erste Informationstagung zum Thema durchgeführt und dazu am 12. Mai ausgewiesene Experten nach Luzern geladen. Mehr als 200 Industrie- und Handelspartner der MARKANT Syntrade wollten deren Vorträge hören. „Die hohe Teilnehmerzahl zeigt den Bedarf an präziser Information“, so Jos Lanen in seiner Eröffnungsrede.
Informationstagung mit mehr als 200 Teilnehmern
Zu den Top-Experten gehörte Dr. Judith Deflorin, Leiterin des Fachbereichs Marktzutritt im Schweizer Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und an der Entstehung des neuen Lebensmittelrechts mit beteiligt. „Das Schweizer Recht an das Lebensmittelrecht der Europäischen Union angleichen, notwendige Regelungen formulieren und präzisieren, gleichzeitig aber Flexibilität bewahren sowie die Selbstkontrolle der Unternehmen stärken“: So beschreibt Dr. Judith Deflorin die Intention und die Philosophie des neuen Gesetzes. Sehr kontrovers diskutiert wurden im Rahmen der Erarbeitung unter anderem die obligatorische Nährwertdeklaration, die Herkunftsdeklaration sowie die Dreisprachigkeit der Angaben auf den Verpackungen. In diesen Bereichen wurden ursprünglich vorgesehene Detailregelungen abgeschwächt beziehungsweise flexibilisiert. Auch wurde das so genannte Positiv-Prinzip aufgegeben, nach dem alle Lebensmittel im Verordnungsrecht umschrieben waren oder bewilligt werden mussten – nach dem neuen Recht können nun alle Lebensmittel, die sicher sind und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, ohne explizite Genehmigung auf den Markt gebracht werden, mit Ausnahme von neuartigen Lebensmitteln (Novel Food). „Insgesamt ist das Lebensmittelrecht sicherlich nicht 100 Prozent befriedigend für alle, aber die Beteiligten haben ihr Bestes gegeben, um die Quadratur der Kreise aufzulösen“, resümiert Dr. Judith Deflorin. Nach ihrer Wahrnehmung haben sich inzwischen Proteste und Einwände deutlich abgeschwächt, wird das Gesetz „nicht mehr als das Monster wahrgenommen, als das es im Laufe des Verfahrens dargestellt wurde.“
Deklaration von Nähwerten jetzt verpflichtend
Über einige wesentliche Änderungen speziell bei der Kennzeichnung vorverpackter Lebensmittel berichtete Martina Stock, Lebensmittelchemikerin bei der AGU GmbH & Co., Beratungsgesellschaft für Umwelt- und Qualitätsmanagement. So wird mit dem neuen Verordnungsrecht zum Beispiel die Schriftgröße für obligatorische Angaben auf der Verpackung fest vorgegeben. War die Deklaration von Nährwerten bislang freiwillig, ist sie seit dem 1. Mai verpflichtend – allerdings mit Ausnahmen zum Beispiel bei Kaffee, Obst und Gemüse, Fruchtsalaten und alkoholischen Getränken. In der Schweiz kann weiterhin zwischen „kleiner“ und „großer“ Nährwert-Deklaration gewählt werden – im Gegensatz zu den Vorschriften innerhalb der europäischen Union. Abweichende Vorschriften gibt es auch bei den Herkunftsangaben von Zutaten. „Das neue Schweizer Recht weist zwar keine hundertprozentige, aber eine hohe Deckungsgleichheit mit den Regelungen der europäischen Lebensmittelinformations-Verordnung auf“, erklärt Martina Stock. Für die korrekte Umsetzung der neuen Kennzeichnungsvorschriften wurde den Unternehmen eine Übergangsfrist bis zum 1. Mai 2021 eingeräumt.
Deutlich weniger Zeit bleibt für Anpassungen beim Offenverkauf und beim Fernabsatz, nämlich nur bis zum 1. Mai 2018. Ob Obst und Gemüse, Feinkost- und Müsli-Bar, vorverpackte Salate zum unmittelbaren Verkauf, offene Süßwaren oder Fisch- und Fleischwaren aus der Bedientheke: Hier müssen dem Verbraucher zwar prinzipiell dieselben Informationen zur Verfügung gestellt werden wie bei vorverpackter Ware – allerdings reicht es aus, wenn die meisten Infos mündlich gegeben werden können. Nur spezielle Angaben, wie die Herkunft von Fleisch, müssen schriftlich bereitgestellt werden. „Beim Offenverkauf gibt es keine tiefgreifenden Änderungen gegenüber den bisherigen Regelungen – die eigentliche Herausforderung für den Handel dagegen bringen die neuen Informationspflichten beim Fernabsatz“, erklärte Julia Ommert, ebenfalls von der AGU, auf der Syntrade-Tagung. Denn dazu gab es in der Schweiz bislang keine speziellen Vorgaben – mit dem neuen Gesetz sind die Unternehmer jedoch schon ab Mai 2018 gehalten, beim Angebot von Lebensmitteln im Internet, Katalogen oder ähnlichem exakt dieselben, Produktkennzeichnungen bereitzustellen wie beim Verkauf am Point of Sale.
Neue Informationspflichten beim Fernabsatz
Im Detail aufgeschlüsselt, anhand von Checklisten übersichtlich präsentiert und über konkrete Beispiele erläutert werden die neuen gesetzlichen Vorschriften auf der von der MARKANT gelaunchten Website www.one-globe.info. Bernhard Delakowitz, Leiter Marketing und Zentrale Dienste Ware International der MARKANT AG, stellte auf der Syntrade-Tagung das vielfältige Informationsangebot auf diesem Portal vor. MARKANT-Partner können sich anmelden und über Recherchefunktionen beziehungsweise Volltext-Suche ihren konkreten Informationsbedarf decken. Und zum Beispiel vorgegebene Stichworte zu bestimmten Themengebieten markieren, um sich über Push-Mails immer über aktuelle Entwicklungen unterrichten zu lassen. „Wir werden das Informationsangebot auf www.one-globe.info kontinuierlich vertiefen, in Kürze auch eine Version in französischer Sprache bereitstellen, das Thema E-Learning forcieren und außerdem ein Monitoring-System für das produktrelevante Risiko- und Qualitätsmanagement aufbauen“, kündigte Delakowitz an.
Nicht nur Information, sondern auch geldwerte Rationalisierungseffekte bietet der ZAS-Datenservice der MARKANT AG. Denn: Eine Verordnung zum Fernabsatz verlangt, dass die Lebensmitteldeklarationsdaten „zum Zeitpunkt des Anbietens der Ware“ vollumfänglich dem Konsumenten zur Verfügung stehen müssen – zum Beispiel im Online-Handel. Zudem hat sich das Einkaufsverhalten bei Lebensmitteln in den vergangenen Jahren enorm verändert. Die Konsumenten setzen sich zunehmend bewusster mit den konsumierten Produkten auseinander. „So sind ausführliche Produktinformationen die Basis, für alle digitalen Prozesse im Handel, um mit mehr Transparenz Kaufimpulse zu setzen“, erklärt Claudia Vetsch verantwortlich für den Datenservice ZAS bei der MARKANT Syntrade Schweiz AG. Weiter fügt Vetsch hinzu: „Der Datenservice ZAS schafft mit dem elektronischen Datenaustausch die Voraussetzung, damit auf Industrie- und Handelsseite diese großen Datenmengen überhaupt zeitnah verarbeitet werden können“.
Zentraler Artikelstamm (ZAS) soll Datenbündelungseffekt schaffen
Fakt ist: Die Datenmenge, welche zur Verfügung gestellt werden muss, nimmt zu. Daher wird es laut der Expertin nicht mehr möglich sein, diese manuell zu erfassen. Bei einer manuellen Erfassung spielt der Zeitfaktor nicht nur eine Rolle, auch die Fehlerquote ist hoch. Damit könne die Aktualität und somit auch die Datenqualität nicht gewährleisten werden. „Mit dem Zentralen Artikelstamm verfolgen wir das Ziel, für Industrie- und Handelspartner ein möglichst großer Datenbündelungseffekt zu schaffen“, sagt Vetsch.
Die Datenqualität sei das A und O bei den Produktinformationen. Fehler bei den B2C-Daten führen laut Vetsch dazu, dass der Kunde nicht richtig informiert wird. Dies wiederum sei nicht förderlich für die Produktpositionierung und könne zu Kundenreklamationen führen. Mit Hilfe der zentralen Aktualitäts- und Qualitätsprüfung trägt der Datenservice ZAS dazu bei, Unstimmigkeiten in den Daten zu erkennen. Die eingehenden Datensätze der Industriepartner werden automatisch auf Vollständigkeit und Plausibilität geprüft. Auch hier profitieren Industrie- und Handelspartner von einem Bündelungseffekt. „Unstimmigkeiten in den Daten werden dem Industriepartner nur von einer Stelle – dem ZAS – gemeldet und müssen nur einmalig für mehrere Handelspartner korrigiert oder ergänzt werden“, resümiert Vetsch abschließend.